Ein „Benimm-Kodex“ ist immer abhängig vom Publikum, den eigenen Erwartungen und diversen Umständen – „die“ Lösung, one for all, gibt es nicht. Jedem ist klar, dass eine Runde alter Freunde zumeist den Spaß-Faktor im Auge hat, während eine informelle Gesellschaft, die thematisch einem gemeinsamen ideellen Ziel oder Bereiche der Arbeitswelt, sachlich orientiert verbindet und der Einhaltung objektiver Kriterien bedarf. Hierzu hatte ich bereits etwas in meinem Beitrag: Sich im feinen Restaurant verhalten geschrieben.

Die Anspruchslosigkeit lockerer Treffen muss nicht eigens erörtert werden. Hier werden jene „objektiven“ Regeln veranschaulicht, welche dem Gast positive Eindrücke verleihen und sich teils auch auf die eigene Erwartungshaltung als Gast übertragen lassen.

Während die „Auslagerung“ von solchen Events in Restaurants oder öffentlichen Orten eine Reduktion auf die Benimm-Regeln als Gastgeber zu Tisch erlaubt, ist es im trauten Heim etwas völlig anderes: Die Funktion von Koch, Kellner & Co bleiben ebenso dem Einladenden vorbehalten – der sich allerdings zeitgerecht Unterstützung sichern darf und sollte.

Wichtig ist nur die „Kompatibilität“ mit der Runde – ein lockeres Scherzkeks oder bunter Vogel im Freundeskreis mag gewiss Vorteile haben, in der informellen Runde mit Kollegen und Vorgesetzten sollte dieser jedoch Anpassungsfähigkeit aufweisen und den konkreten Unterhaltungswert diverser Animationen nur sehr vorsichtig angehen. Mit diesen Gedanken befindet man sich bereits in der vorbereitenden Phase, welcher praktisch auch höchste Bedeutung zukommt. Je mehr man darüber liest, spricht oder Erfahrungen sammelt umso besser wird man seinen Gästen sich künftig präsentieren.

Vorbereitungen die man als Gastgeber treffen sollte

Ein freier Zugang, ohne Kinderfahrräder oder -roller, Bälle oder ähnlichen Blickfängen versteht sich von selbst – auch dann, wenn die Dinge den Zugang an sich nicht behindern würden. Auch Hund und Kind sollten bei der Begrüßung auf „objektiv richtiges Auftreten“ vorbereitet werden.

Besonders wichtig ist in der kälteren Jahreszeit oder zu späterer Stunde die Außenbeleuchtung – zumindest bis alle Gäste eingetroffen sind, trägt dies nicht nur zur besseren Orientierung und einfacherem Handling bei, sondern ist ein Zeichen für Offenheit, Gastfreundlichkeit und positiver Grundeinstellung nach außen. Dieser Effekt ist besonders wichtig und die heutigen Angebote winterlicher Outdoor-Beleuchtung lassen viel Spielraum für individuelle Entfaltung bei der Optik.

Vorab sind immer die Ernährungsgewohnheiten der Teilnehmer zu erfragen. Wenn Gäste aus gesundheitlichen, nachhaltigen und/oder ethischen Gründen auf tierische Bestandteile bei der Ernährung verzichten, ist dies beim Angebot zu berücksichtigen.

Wer bereits eine Ernährungsumstellung hinter sich brachte, misst dieser einen sehr hohen Stellenwert bei und würde sich andernfalls vor dem Kopf gestoßen fühlen. In Deutschland lag im Jahr 2014 der Anteil konsequenter Omnivoren, also jenen Menschen, die alles essen, nur mehr bei 88 %, in Indien liegt der Wert weltweit am niedrigsten mit 60 %. Immerhin bestärkt durch eine Studie des Deutschen Krebszentrums diesen Verzicht mit einer deutlich längeren Lebenserwartung und aktuell reagieren die Erzeuger mit verstärkten Angeboten – eine Entwicklung, welche dem guten Gastgeber bewusst sein sollte.

Ist die Garderobe nicht den Anforderungen von mehreren Mäntel, Handschuhen und sonstigen Accessoires gewachsen, bereitet man am besten ein ebenerdiges Zimmer zur Ablage vor und ist jedem Ankömmling bei der Ablage behilflich. Ist dies nicht notwendig, kann ein Hinweis auf die Garderobe genügen.

Gäste empfangen, so geht’s richtig

Auch Gäste halten üblicherweise einen typischen Verhaltenskodex ein und es ist damit zu rechnen, dass sie erst dann Platz nehmen, wenn ihnen der Gastgeber einen Platz zugewiesen hat oder sich ebenfalls setzt. Eine alte Regel hat hier nach wie vor Gültigkeit: das sofortige Angebot eines Getränks.

Spezialfall: Übernachtungsgäste

Ganz anders verhält es sich bei einer Anreise von auswärts oder wenn ein längerer Aufenthalt geplant ist. Hier geht der Ankunft auch eine intensivere Vorbereitung voraus. Erstens ist mit Gepäck zu rechnen und zweitens kann man von einer gewissen Erschöpfung des Ankömmlings rechnen, so dass er eigentlich Entspannung anstrebt.

Erfolgt die Anreise per Bus, Bahn oder Flugzeug, so ist es selbstverständlich, dass er abgeholt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ihm sein Gepäck zum Auto getragen wird – allerdings nur dann, wenn dabei die Geschlechterrollen eingehalten werden. Kein auch noch so erschöpfter Gast würde sich von der Tochter des Gastgebers den Koffer zum Auto schleppen lassen.

Die Abholung sollte deshalb durch einen Mann erfolgen. Dabei wird nicht gefragt, ob der Koffer zu tragen ist, sondern er wird ganz selbstverständlich in die Hand genommen.

Die Anreise mit dem eigenen PKW bedarf auch bei einem Haus oft einer zugewiesenen Parkmöglichkeit. Befindet man sich freilich in einer Wohnanlage, ist der Einfluss darauf meist gering. Ein vorheriger Hinweis sollte erfolgen.

Der eigentliche Empfang sollte aber auch hier außerhalb des Hauses stattfinden und eventuelles Gepäck getragen werden. Beim eigenen Haus empfiehlt es sich, den Gast zur Einfahrt zu bitten, das Gepäck entgegenzunehmen und ihm dabei den Parkplatz zuzuweisen.

Einmal angekommen werden ihm sein Gästezimmer und das Badezimmer gezeigt. Das Vorhandensein frischer Handtücher ist oberstes Gebot. Nun lässt man ihn alleine und bittet ihn ins Wohnzimmer, wenn er soweit ist.

Bei längerem Aufenthalt spricht man nach dem dortigen Erscheinen das geplante Rahmenprogramm für den Aufenthalt und allgemeine Dinge gezielt an. Eine gewisse Vorbereitung ist hier erforderlich, welche den gesamten Aufenthalt aufwertet – typische Touristen-Highlights in der Umgebung oder besondere Restaurantbesuche sollten hier in Anspruch genommen werden.

Das gemeinsame Essen

Spätestens jetzt sollte der Gastgeber mit den Regeln zu Tisch vertraut sein, die natürlich von den Tisch-Regeln der Gäste etwas unterschiedlich sind. Auch dann, wenn das gemeinsame Mahl in einem Restaurant zu sich genommen wird, liegen eigene Standards für den Einladenden vor.

Die folgenden Worte gelten daher nur in Verbindung mit den allgemeinen Benimm-Regeln beim Essen und stellen Bezug zur vorliegenden Situation her. Wer noch die ganz alten Gepflogenheiten verinnerlicht hatte, wird wie folgt „upgedatet“ um auf den Stats Quo von heute vorbereitet zu sein.

  • „Prosten“ ist heute ein integrativer Akt – somit darf niemand ausgeschlossen werden, während früher nur alkoholhaltige Getränke umfasst waren. Das bedeutet, dass mittlerweile auch derjenige, der bloß ein Glas Wasser möchte, beim Anstoßen mit einzubeziehen ist. Der aktuelle Wortlaut lautet außerdem „Zum Wohl!“
  • Das Kippen von Suppentassen war stets verpönt, während es heute eher als Zeichen der Verschwendung gälte, dadurch einen Rest übrig zu lassen. Hier ist man jedenfalls nicht zu streng – wer noch die alte Schule kennt und es vorsichtshalber unterlässt, macht auch keinen Fehler. Es gilt: wenn der Gastgeber selber die Schale schräg hält, ist es auch dem Gast erlaubt. Es empfiehlt sich, unsicheren Blicken mit aufklärenden Worten über den guten Ton von heute entgegenzuwirken – je nach Publikum.
  • Warum früher Eier und Kartoffel nicht geschnitten werden durften, lag im damals verwendeten Material des Bestecks: Eiweiß war kaum zu entfernen. Das ist aber seit mehr als einem Jahrhundert überholt. Aus stilistischen Gründen ist auch heute noch untersagt: das eigentlich beliebte Zerdrücken von Kartoffeln, die so mit Sauce weit besser schmecken. Man muss nach wie vor auf zerschnittene Teilchen zurückgreifen.
  • Eigenes Fischbesteck ist nicht immer das Beste: Manche Arten sind nur sehr schwer damit in den Griff zu bekommen. Nur gegarter und gekochter Fisch ist damit zu servieren.
  • Während es in alten Zeiten als peinlich galt, jemanden darauf aufmerksam zu machen, wenn er sich ankleckerte, so sollte er heute dezent drauf hingewiesen werden. Servietten, egal ob aus Stoff oder Papier, können heute lose neben dem Geschirr abgelegt werden. In alten Zeiten galt dies noch als Fauxpas – heute liegt es eher im Ermessen des Gastgebers, wie er erscheinen möchte.

Besonderheiten, die man(n) beachten sollte

Manche Fragen im Leben treten einfach plötzlich auf und man kann auf keinerlei Erfahrungswerte zurückgreifen. Gerade im informellen Leben ist Vorbereitung schwierig und auf sich gestellt macht oft erst der Schaden klug. Als Gastgeber ähneln sich allerdings solche Situationen zumindest in ihrer Grundstruktur und lassen sich grundsätzlich umfassen.

Zuhause ist das meist ein akutes Erfordernis des Gastgebers, sich den Gästen kurz abwenden zu müssen oder unerwartete Umstände in der Küche treten ein. Eine Mithilfe der Gäste ist heute grundsätzlich erlaubt. Erscheinen sie allerdings in feiner Abendgarderobe, sollte man sie nicht zum Kartoffelschälen einspannen. Man kann auch, sobald alle Platz genommen und keine eigene Bedienung hilft, sich kurz entschuldigen und sich notwendigen Abläufe in der Küche widmen.

Es wäre aber ratsam, sich vorher die Mithilfe eines nahestehenden Freundes oder Familienmitglieds zu sichern – so lässt sich auch auf unvorhergesehene Begebenheiten besser reagieren, sofern man nicht ohnehin als Paar Gäste empfängt.

Gepostet von Sebastian

Ich schreibe hier regelmäßig über Mode & Lifestyle. Wenn dir der Artikel gefallen hat, würde ich mich darüber freuen, wenn du ihm, trotz des Social-Network-Dschungels ein "Gefällt mir" geben würdest.

6 Kommentare

  1. Ein wirklich schön geschriebener Artikel. Danke.

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    1. Freut mich, wenn er dir gefällt!

  2. Wirklich gut und ausführlich geschrieben.
    Es wurde alles Wichtige genannt, dennoch würde ich gerne auf einen kleinen Rechtschreibfehler, welchen ich meines Erachtens beim Lesen des Artikels endeckte, hinweisen:
    „Nun lässt mit ihn alleine und bittet ihn ins Wohnzimmer, wenn er soweit ist.“ – aus dem Unterpunkt „Spezialfall: Übernachtungsgäste“

    Liebe Grüße

    Nils

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    1. Danke Nils für den Hinweis, habe es angepasst.

  3. […] Als Gastgeber ist es heute notwendig, sich mit dem gesamten Procedere rund ums Servieren, Aufbereiten des Tisches bis zum richtigen Empfang auseinanderzusetzen. Wer denkt, der bloße Hausverstand würde hier ausreichen, irrt. […]

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  4. […] eine adäquate Note verleihen will. Es wäre auf jeden Fall äußerst schade, wenn sich jemand als Gastgeber durch die Verwendung falscher Gläser ins schlechte Licht rückt oder gar den Geschmack und […]

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